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Anna Mayer: Mit dem Radlader ins Hotel

Frau auf Reisen

von Marc Krautwedel

"Frisch, ehrlich und unterhaltsam."

Ich bin Anna Mayer und nun wirklich nicht zimperlich. Aber mit meinem Sohn seine zukünftige Braut aus Weißrussland holen, um dann mit ihnen im Auto durch Italien zu gondeln, ist ein schlechter Scherz gewesen. Ein Witz war es nicht, und die Tour war anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Andere Reisen und Urlaube, an die ich mich erinnere, hielten andere Reize und Reizthemen für verschiedene Sinne parat. Ob mit Familie, alleinreisend oder im Bus auf Bildungsreisen – irgendwie habe ich es selten geschafft, dass ein »Weißt du noch?«, ein bloßes »Hach!« auslöst.

Leseprobe

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Rom

Kamelhandel

Auf dem Sinai wirkte auf mich nicht nur die Landschaft ein wenig trocken und vernachlässigt. Ein Lichtblick der besonderen Art war eine Kneipe mitten im nirgendwo. Draußen standen sauber und akkurat die Tische und Stühle und große rote Sonnenschirme überdecken die Sitzgruppen. Es gab einen angelegten Garten, der zwar recht trocken, aber gepflegt war. Über dem einzelnen, schmucklosen, sauberen und adretten Bau prangte ein großes Schild ›Bei Monika‹. Wie ich von Jannis dem Reiseleiter erfahren hatte, kam Monika aus Deutschland. Sie hatte sich in einen Ägypter verliebt. Monika blieb, heiratete und nahm das Heft in Form ihres Mannes und des ehemaligen Ziegenstalls in die Hand.

Eine Stunde später kamen wir zu unserer Übernachtungsstelle, dem Katharinenkloster zu Fuße des Berges, auf dem Moses die Zehn Gebote empfangen haben soll. Die Truppe Gläubiger und Kulturinteressierter – ich bin beides – klapperte das Kloster ab, sah sich alles an, und sie gingen in ein nahes gelegenes Hotel, um zu übernachten. Der Nebel des Vergessens liegt über dem Grund oder Initial, wie es begann, aber ich kam mit einer Gruppe Beduinen ins Gespräch. Sie betrieben ein Lokal dort.

Eigentlich wollte ich nur etwas essen und trinken und blieb die gesamte Nacht. Wir saßen auf der Terrasse am Feuer und erzählten uns von unseren verschlungenen und geraden Pfaden durchs Leben. Da es linguistisch keine minimalen Überschneidungen gab, weil wir uns nicht einmal auf Englisch einigen konnten, taten wir es mit Händen und Füßen, Geräuschen und viel Pantomime. Wir lachten, gestikulierten, tanzten und ich trank den Rotwein, den ich mir zwischendurch als Flasche aus dem Hotel geholt hatte. Irgendwann in der Nacht fielen mir unter dem Sternenzelt die Augen zu. Mit den ersten Sonnenstrahlen stand ich auf. Die Beduinenfamilie brachte mich zum Reisebus. Wir verabschiedeten uns und meine Reisegruppe war einer wie die andere so bescheuert, ungefragt Fotos von ihnen mit mir zu machen. Ich hasse es. Die Penetranz hatte sie nach einer anstrengenden Nacht wieder auf Spur gebracht. Sie waren morgens zum Gernhaben: launisch, gestresst, angeblich krank. Es gab Probleme mit der Klimatisierung und der Hygiene. Irgendwas ist immer. Ich hatte einen Abend nur in Zeit begrenzter Freundlichkeit und eine milde, erholsame Nacht. Bein Fotografieren ist sich jeder selbst der Nächste.

Unsere nächste Station war Taba. Das kleine „Hotelparadies“ liegt am Golf von Akaba in Ägypten. Israels Grenze ist nur wenige hundert Meter entfernt, Akaba in Jordanien liegt in sieben Kilometer Luftlinie Entfernung und Saudi-Arabien in etwas über zwanzig Kilometer. Was baut man am besten an einer solchen Nahtstelle von Kultur und Ideologie? Richtig. Eine Glücksspieloase mit Sauftempeln. Ich wäre aus den Latschen geflogen, wenn ich welche angehabt hätte. Die Stimmung war prächtig. Es wurde gespielt und getrunken, was das Zeug hielt. In den grundlegenden Dingen scheinen sich die Männer auf dem Planeten zu verstehen. Das heißt nicht, dass sich irgendwer mir gegenüber unziemlich benommen hätte. Ganz im Gegenteil. Obwohl ich mit dem Reiseleiter mittlerweile befreundet war und wir gemeinsam unterwegs waren, bekam ich Komplimente. Ein scheichmäßig gekleideter Araber fragte im besten Englisch höflich, ob er sich neben uns an die Bar in der Hotellobby setzen dürfte, und wir kamen ins Gespräch. Belanglos: Reiserouten Heimat, ich weiß jetzt nicht mehr, ob wir auch über Familie gesprochen haben. Er kam zu Recht direkt zur Sache: „Ich möchte, dass du meine Frau wirst.“

„Danke. Ich möchte aber nicht.“

„Du wirst es sehr gut bei mir haben.“

„Danke, ich möchte wirklich nicht“, sagte ich und blieb hart auf Kurs in der absurden und bis dahin amüsanten Werbung um meine Person.

Er hielt es möglicherweise für etwas unhöflich von mir. Wie konnte ich diskussionslos sein Angebot direkt ablehnen. Also wendete er sich an die zuständige männliche Begleitung seines Zielsubjektes. Es war mein Reiseleiter Jannis. „Sie wird es gut bei mir haben. Ich biete dir für sie zweihundert Kamele.“

Ich war fassungslos amüsiert. Da kommt ein gut gelaunter, gut gekleideter Scheich daher und bietet meinem Reiseführer Viecher für mich. ›Der wird ihm was husten‹, dachte ich. Schließlich ist er ein kultivierter Mann und Oberst der israelischen Armee. Und er hat ein unerschütterlich aufgeklärtes Frauenbild.

Jannis musterte den Scheich: „Zweihundert? Zu wenig.“

„Zu wenig? Was sagts du? Sag mir den Preis für sie.“

Nun kannte ich damals wie heute nicht den Umrechnungsfaktor von Frau zu Kamel. ›Gibt es bestimmte Klassifizierungen bei Wüstenschiffen? Ich kann mir vorstellen, dass Rennkamele, Dromedare, Trampeltiere, was eben höckermäßig unterwegs ist, verschieden bewertet werden. Was ist mit den Tieren, die ihr Haar für den nach ihnen benannten Mantel lassen.‹

Selbst wenn ich den Durchschnittspreis gekannt hätte, wüsste ich immer noch nicht den Durchschnittskaufpreis für Frauen, um das Angebot relativierend zu beurteilen. Da er mit dem Reiseführer verhandelt hatte, musste er davon ausgehen, dass Jannis Verfügungsrecht über meine Person hatte. Hätte dieser die Viecher überhaupt annehmen dürfen? Gäbe er eine Haltbarkeits- oder Gesundheitsgarantie für mich und ein Umtauschrecht? Wenn es ein Irrtum war und nicht verwandte Männer gar nicht verhandlungsberechtigt sind, würde ich die Tiere kriegen? Da ich dann selbst neuer Besitz des Scheichs wäre, bekäme er sie mit mir folglich zurück. Somit wären die Kamele nur eine Vermittlungsprovision für Jannis gewesen. ›Wie hoch ist mein tatsächlicher Wert?‹

Trotz dessen die beiden Männer sich in der Verhandlung nicht in Richtung einer Einigung bewegten, schien sie sich köstlich zu amüsieren. Sie verhandelten hart und lachten von Herzen. Es hatte was von Casablanca und es bestand zumindest im darstellerischen Teil die Chance, dass sich der ›Beginn einer langen Freundschaft‹ entwickeln würde. Aus dem Geschäft wurde nichts und ich blieb der Reisegruppe und meinem Mann in Deutschland erhalten. Mit hatte ihm überhaupt niemand verhandelt. Der hätte die Kamele auch abgelehnt. Bei einem einzigen Tier wäre die Chance höher gewesen, aber was sollte er mit zweihundert kauenden Riesen im Wald zwischen Hamburg und der Lüneburger Heide.

 

Noch in Ägypten sollte es über die Grenze zurück nach Israel gehen. Der Grenzübergang sah abenteuerlich aus. Zwei Stationen mit Einzelkontrollen, die nach Ermessen durchgeführt wurden. Je nach Gepäck und Stimmung konnte es endlos dauern. Es gab kein Anzeichen, dass wir es zügig schaffen würden.

„Anna, wir teilen die Gruppe auf. Jeder von uns nimmt die Hälfte der Leute. Sieh zu, dass sie geordnet und ruhig durchgehen.“

„Geordnet und ruhig. Mit Leichtigkeit“, sagte ich und zog mit meinen Leuten los. Klar waren wir schneller durch als die vom Armeeoberst geführte Gruppe. Mit der eigenen Familie ist es schwerer zu regeln.

 

Ein unterhaltsamer, anregender, lehrreicher und freier Alleinurlaub wurde für mich nur übertroffen von einem ganz ›normalen‹ Familienurlaub. Teenager nerven. Das ist kein Geheimnis für mich. Ehepartner haben ihre Marotten und im Urlaub kommen noch welche hinzu. Kleine Kinder fragen: ›Mami, wann sind wir da?‹, nachdem man gefühlt gerade erst das Gepäck in den Kofferraum bekommen hatte. ›Gibt es was Besseres?‹ Für mich nicht.

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Rom

Schwiegertochter – Alarm!

 

„Mum, ich werde Katja heiraten.“

„Was?“

Es war ein schöner, bisher spannungsarmer Tag im April und wir saßen in der Schröderstraße von Lüneburg unter einem Ahornbaum mit lichtgrünem Laub. Unser Tisch gehörte zu den Außenplätzen einer Kneipe von Freunden. Sie betrieben das Lokal voller Leidenschaft mit der gesamten Bagage. Alle packten mit an. Sie gingen sich nur bewusst aus dem Weg, wenn es Gegenverkehr im Laden gab. Meine Familie ist an der Mitgliederzahl gemessen, überschaubar. Wir beide, mein Sohn und ich, waren die Garanten für die Vollständigkeit unter dem Baum. Eigentlich wollten wir die bevorstehende Geschäftsreise nach Pescara in Italien besprechen. Junior hatte vor, dort an einem Meeting einer internationalen Organisation teilzunehmen. Das Treffen war Ende Mai. Ich hatte bis zu dem Moment unterm Ahornbaum geplant, ihn zu begleiten, und freute mich auf den Termin. Etliche der Teilnehmer kannte ich besser als er. Das war nicht schwer, denn zu vorherigen Veranstaltungen in New York, New Orleans und Dubai ließ er sich gern durch mich vertreten. Außer seiner Flugangst gab es keine tiefergehenden Gründe für diese Arbeitsteilung. Pescara an der Adria ist leicht mit dem Auto zu erreichen. Er konnte selbst hin, ohne sich in die Hosen zu machen. Geplant war ein Zwischenstopp in Verona, ein Halt in Venedig und ein Ausflug in die Abruzzen. Naheliegend, weil die Orte auf dem Weg oder tatsächlich nahe der Stadt Pescara zu finden sind. Ich ließ mir nichts anmerken, aber mir schwante als Mutter, dass sich mit meiner soeben angedrohten bevorstehenden Schwiegermutterschaft nicht nur an den Reiseplänen ›Kleinigkeiten‹ ändern würden. Das Gute, wie Elegante daran war, dass die Chance bestand, ihn endlich dauerhaft an eine Frau, mit der er auch zusammenbliebe, loszuwerden. Abschütteln gelang zuvor nicht und Abweisung wurde von ihm belächelt. Er war ein zauberhaftes, lebensfrohes und umgängliches Kind. Ein Sonnenschein. Doch mit den Jahren wurde aus ihm ein männlicher Mayer. Unaufhaltsam bretterte er durch die Pubertät und wurde immer größer. Für die Babyklappe war er mittlerweile mit hundertsiebenundachtzig Zentimetern zu lang und mit fast hunderttausend Gramm zu schwer. Zug abgefahren. Ich zog es nie in Erwägung. In Gesprächen unter Müttern von erwachsenen, unverheirateten Söhnen ist die Umgangsform direkter:

„Ach, das ist ihr Sohn, der ihnen die schere Topfpflanze durch die Stadt nach Hause getragen hatte. Das ist aber nett.“

„Den können Sie haben.“

„Danke, nein. Ich habe selbst so einen.“

Ich würde ihn in gute Hände abgeben. Leider musste es von ihm kommen. Und dem Vernehmen nach hatte ich Glück und diese Beziehung würde halten. Allerdings war schon sein Vater ein Mayer und von sich als Tonangeber eingenommen, was es ein Stück weit unkalkulierbar machte. Junior ist eine Schippe drauf. Ich bin aufseiten der Frauen. ›Katja, das arme Kind.‹ Der Gedanke war müßig. Er ist mein Sohn. Sein Wohl ist der unkündbare Job, der einer nicht gewollten, aber geliebten Schwangerschaft entsprang. „Liebst du sie?“, fragte ich den Mann mit den Heiratsabsichten.

„Das weißt du doch.“

„Ihr sagt es euch ständig, und sicher seid ihr verliebt. Wäre das noch in zehn Jahren so, wenn sie krank sein sollte und im Rollstuhl sitzen würde?“ Das klingt für Ungeübte härter, als es bei ihm wirkte. Mit dieser Frage ist mein Sohn aufgewachsen. Andere, die mir mit einer gewissen Hormonfülle von der akuten Besonderheit ihrer Gefühlswelt erzählten, konnte ich die Stimmung mit dem Rollstuhl plattfahren. Bei ihm klappte das nicht. ›Er ist ethisch orientiert und moralisch gefestigt‹ – wäre meine Hoffnung gewesen. Tatsächlich ist er abgehärtet. Was ich ein mahnendes Wort nenne, ist für ihn lästiges, gleichsam gewohntes Waterboarding.

„Mutter, du hast mich großgezogen“.

„Ich hab’s versucht.“

„Ja, ich liebe sie und wir wollen heiraten. Und überhaupt, es ist doch viel praktischer. Die Fernbeziehung, die Visaanträge. Und immer wieder muss sie zurück nach Minsk, bevor sie erneut einreisen darf. Außerdem machen die weißrussischen Behörden bald nicht mehr mit. Es wird schwieriger für sie.“

›Sagt sie? Die junge, schlanke Juristin, die in ganz Europa war und unsere Ausländerbeauftragten – schweißgebadet in Ahnungen und Erfahrungen – nicht wissen, was sie tun sollen: den Verfassungsschutz anrufen oder die Scheuklappen für die Liebe aufsetzen‹, dachte ich und verkniff selbst meinen Gedanken weitere Auswüchse. Vorerst. „Wann wollt ihr denn heiraten? Du hast sie erst vor zwei Wochen zum Flughafen gebracht. Und so häufig habt ihr euch nun wirklich nicht gesehen.“

„Ich habe sie noch nicht gefragt, es aber angedeutet.“

„Wie romantisch.“

„Ich werde um ihre Hand anhalten, mit Ring und dem ganzen Drum und Dran, wenn sie wieder zurück ist. Wir fahren nach Italien – alle drei.“

„Welche drei?“

„Wir beide, wie geplant – und natürlich Katja.“

Der gefühlte Klang von Hochzeitsglocken wurde schlagartig von einer, einem Tinnitus ähnlichen Alarmsirene ersetzt. „Zusammen? Bist du des Wahnsinns? Da fahrt schön alleine hin.“

„Nein, das wird toll. Dann könnt ihr euch gleich richtig kennenlernen. Schließlich werdet ihr eine FAMILIE.“

Ich kann nicht behaupten, dass das Wort ›Familie‹ in diesem Zusammenhang innige Gefühle auslöste. So gut es von ihnen gemeint war, so naiv zeigte es sich mir nur vordergründig. Es roch nach einer Falle. Eine jener Gruben, die man in Unachtsamkeit hilft zu schaufeln, weil man eigentlich Boden einbringen wollte, damit ein Bäumchen wachsen und gedeihen könnte. Stress war vorprogrammiert. Auf die Reise hatte ich mich zuvor gefreut. Ich liebe Italien. Lange Autofahrten und sein Hang zum Strecke machen sind mir ein Gräuel. In der neuen Situation gab es Wichtigeres. Mein Sohn bekäme in zartester Selbstreflexion unter idealen Bedingungen die Gelegenheit, mit seiner blondierten Angebeteten mehr als nur ein paar Tage und Nächte am Stück zu verbringen. Die rosarote Brille würde ihre Tönung mit der Zeit verlieren. Bis dahin sollte sich etwas Stärkeres entwickeln: Substanz, Verantwortung – Liebe.

„Was hast du dir vorgestellt, wann ihr heiraten wollt?“

„Keine Ahnung. So schnell wie möglich. Vielleicht im September. Sie meint, das wäre passend.“

Ein leichtes Kopfschütteln durchfuhr mich. Es war ausreichend, eine Gehirnerschütterung zu mixen. Die Zellen sortierten sich langsam. „Sie weiß, wann ihr heiraten werdet, und du hast ihr noch keinen Antrag gemacht?“ ›Die Jugend‹, dachte ich. ›So praktisch eingestellt. Gefühle mit Checkliste.‹

„Das ist nur pro forma. Wir sind uns einig. Frauen lieben Anträge. Romantik pur. Und es ist eine schöne Erinnerung.“

Alles sprach dafür, dass sie wirklich jede Sekunde bräuchten, sich kennenzulernen. Ich mag spießig sein, aber seit der Moderne – ohne elterliche Eheanbahnung – ist es durchaus üblich und praktisch, dass, bevor geheiratet wird, die Parteien einige Zeit zusammenleben. Wie soll man von guten und von schlechten Tagen sprechen, wenn es immer nur um Bündel von Stunden geht, die man miteinander im Sonnenschein oder im Bett verbringt.

Der Termin in Pescara drängte. Einige Tage versuchte ich ihm den Plan mit der gemeinsamen Reise unter meiner Teilnahme und Aufsicht auszureden. Nichts zu machen. Sein zumindest theoretisches Familienmodell war unzerstörbar. Die gut gemeinten Warnungen zerplatzen wie flugfähige Insekten auf der Windschutzscheibe bei zweihundert Sachen. Es kam schlimmer. Die Planung für die Reise stand. Da war nichts vorbereitet, außer der Idee, dass wir vier Tage vor dem Meeting losfahren würden. Die Veranstaltung dauerte wie üblich drei Tage. Zwei Tage später würde ihr Flieger sie vom Franz-Josef-Strauß-Flughafen zurück nach Minsk bringen. Also erwartete ich, dass wir Katja auf der Fahrt gen Süden genauso in München auflesen würden. Oder aber sie würde in Hamburg landen, eine Weile bleiben und wir gemeinsam losfahren. Erneut entsprach etwas nicht ansatzweise der gelebten Realität.

„Mutter, wir müssen nach Minsk.“

„Wieso? Was ist passiert? Geht es Katja gut?“ Es waren auch an diesem Tag unter dem Ahornbaum keine zehn Minuten vergangen.

„Alles bestens. Sie möchte uns ihre Heimat zeigen, und ihre Eltern wollen uns kennenlernen.“

„Was habe ich damit zu tun? Das werden deine Schwiegereltern, und Minsk wird vielleicht die Heimat deiner zukünftigen Kinder sein, wenn deine spätere Ex-Frau dich verlassen sollte.“

Gut, das war nicht besonders einfühlsam. Davon, dass es mit Etikette oder gar überschäumender Begeisterung getragen war, kann ich nicht behaupten. Aber es ist doch wahr: Die beiden kannten sich kaum. Ein ständiges: ›Schatz hier‹, ›Schaaatz da‹, dass sich in mir der Zweifel regte, ob es Selbstverständnis, Überschwang oder eine gebetsmühlenartige Wiederholung war, um sich selbst ihre Beziehung einzureden und vorzuführen. Die einsilbige Liebesbekundung durch den gleichen Kosenamen konnte bei beiden Liebenden unterschiedlicher nicht ausgesprochen sein. Er blieb phonetisch konstant. Wie man es spricht. Sie hingegen konnte mit ›Schatz‹ eine Armada von Gefühlen und Absichten bedienen, die ich erst mit der Zeit einigermaßen zuzuordnen lernte. Wer kauft sich schon ein Vokabelheft Deutsch/Deutsch mit nur einem Wort, aber fünfzig Seiten mit Unmengen von Bedeutungen? Da musste ich nicht auch noch die Herkunft ihrer Familie ergründen.

Mein Sohn blieb unbeirrt. „Nein, sie haben ausdrücklich auch nach dir gefragt. Sie wollen dich kennenlernen und dir Mink zeigen.“

Marc Krautwedel
Brunshaupten

Roman

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„Es stört mich nicht, wenn du brennst.“

Autor: Marc Krautwedel, Kühlungsborn

 „Wichtig ist, was auf den Tisch kommt“  – ist nur eine von etlichen Weisheiten der Menschen im Roman, die redlich bemüht sind, feste Punkte in Zeiten der Veränderung nicht aus den Augen zu verlieren.  Sechs Monate einer Familie und ihren Bekannten, die mir ans Herz gewachsen sind – ohne wirklich jeden/jede von ihnen fraglos umarmen zu wollen. – Ach, was soll’s?

Hanna, ihre Töchter Sandy und Trixi sowie ihre fünf volljährigen Enkelkinder erfahren spät, dass ihr Schwiegersohn weit mehr Probleme hat als das Sanddornsterben auf dem Obsthof der Familie in Kühlungsborn. Die Existenz ist bedroht und alle packen mit an. Generationen treffen aufeinander in einer Landschaft, deren Schönheit zum Innehalten einlädt.

Es ist eine Familiengeschichte über sechs Monate mit den kleineren und größeren Gefühlen und Erlebnissen in einer ländlichen, aber dem Tourismus zugewandten Region.

»Es ist der Wandel, nicht der Wechsel.«

Bestellungen aus der Erstauflage auf Wunsch signiert.

456 Seiten. Fester Einband, Überzug: Softtouch, runder Rücken, Fadenheftung, Leseband; Papier: Cremeweiß. Versandkostenfrei in DE.

Erstauflage: Lieferung in der Woche vom 18. November

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Erstauflage bislang nicht im Buchhandel erhältlich.

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